Das HR-Sinfonieorchester unter Paavo Järvi eröffnete das Rheingau-Musik-Festival ganz märchenhaft mit Mendelssohns Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“.
Vor dem Eintauchen in Titanias und Oberons Zauberwelt standen an diesem Eröffnungsabend erst einmal die Hürden der Realität, doch wer trotz Autobahn-Vollsperrung, Wolkenbruch und einer Demonstration von Fluglärm-Gegnern den Weg ins Kloster Eberbach gefunden hatte, wurde reichlich belohnt. Ja, mehr als das! Paavo Järvi, der für dieses Konzert als „Ehrendirigent“ ans Pult des HR-Sinfonieorchester zurückkehrte – sein Nachfolger Andrés Orozco-Estrada gibt seinen offiziellen Einstand im August, sowohl in Frankfurt als auch beim Rheingau-Musik-Festival –, zeigte mit einem bestens aufgelegten Orchester, warum die HR-Sinfoniker nicht nur in Deutschland, sondern auch international zu den Spitzenensembles gehören.
Schon der Einstieg mit Mendelssohns Konzertouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“ zeigte nicht nur die lyrische Schönheit, sondern auch die dramatische Sprengkraft, die in Mendelssohns Musik steckt. Seine Kompositionen sind eben kein weichgespülter Klassizismus, sondern atmen den romantischen Geist des Aufbruchs. So konnte sich die Musik zur Goethe’schen Erzählung von der Nixe Melusine und dem Ritter Raimund in all ihrem Charme und all ihrem Kolorit entfalten, wobei die Über-Akustik der Basilika durch eine neue, gepolsterte Bestuhlung stark gedämpft wird.
Welch dramatisches Feuer und welch kompositorischer Übermut in dem 15-jährigen Mendelssohn steckte, das führte Järvi mit der 1. Sinfonie in c-Moll op. 11 vor, wobei er die Kontraste betonte und die gestalterische Beweglichkeit des Orchesters herausforderte. Gerade letztere ist ja eine Parade-Disziplin der HR-Musiker.
Nach der Pause verwandelte sich Kloster Eberbach in einen Zauberwald. Elfenspuk, aber auch der derbe Tanz der Rüpel, Feen-Gesänge und tierische Laute beherrschten die Bühnenmusik zu Mendelssohns „Sommernachtstraum“. Das ganze Shakespeare’sche Personal trieb in der Vorstellungskraft des Zuhörers sein Unwesen, herrlich pointiert vom Orchester gspielt, straff im Tempo gehalten und mit klanglicher Delikatesse dargeboten, von der Ouvertüre, dem Geniestreich des 17-jährigen Mendelssohn, über den Chor der Elfen mit dem fabelhaften Estnischen Philharmonischen Kammerchor, von dem man gerne mehr gehört hätte, und den Solistinnen Miah Persson und Golda Schultz, bis hin zum pompösen Hochzeitsmarsch.
Ein musikalisches Schauspiel erster Güte, das mit „Standing Ovations“ gefeiert wurde.
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