ELTVILLE – Stumme Demonstranten vor der Klosterstraße, eine sanft gedämpfte Akustik in der Eberbacher Basilika. Und auch musikalisch ging es etwas verhaltener zu als in den Vorjahren: Da hatte das HR-Sinfonieorchester mit seinem vormaligen Chefdirigenten Paavo Järvi gerne nach ganz Großem gegriffen und Sinfonien Gustav Mahlers zur Eröffnung des Rheingau Musik Festivals (RMF) bevorzugt. Jetzt, beim Start in die 27. Festival-Auflage, erklangen dagegen musikalisch kleinteiligere Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Auszüge aus der Schauspielmusik zu „Ein Sommernachtstraum“ sollten im zweiten Teil der beiden Eröffnungskonzerte an den 450. Geburtstag William Shakespeares erinnern – einer der diesjährigen RMF-Schwerpunkte. Zunächst aber reizte Paavo Järvi, bereits im vergangenen Jahr beim HR-Sinfonieorchester auf den Platz des Ehrendirigenten gewechselt, die mild veränderte Akustik der Eberbacher Basilika aus. Unter den Zuschauerstühlen angebrachte Kissen sollen nämlich neuerdings, wie Intendant Michael Herrmann bei der Begrüßung des Publikums versprach, den hallgeprägten Klang des Kirchenraumes abfedern.
Das Tempo, der Drive, die Flüchtigkeit, mit der Järvi Mendelssohns Konzertouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“ op. 32 spielen ließ, bedeuteten vielleicht noch eine zu große Herausforderung für den derart gemäßigt wattierten Raum. Wobei das aparte Nixen-Stück gar nicht einmal unpassend aufschwamm. Ganz ohne akustische Zugeständnisse ging Paavo Järvi auch Mendelssohns Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11 an. Das Werk des 15-Jährigen klang hier weit weniger nach dem artigen Klassizismus eines musikalischen Goethe-Günstlings, sondern ziemlich selbstbewusst stürmend und drängend. Und mit seinen Schnitten, Licht- und Lautstärkewechseln, seinen knapp hingeworfenen Themen alles andere als brav. Sonst hätte es Paavo Järvi, der das alles schärfend mit den exzellenten HR-Musikern herausarbeitete, wahrscheinlich auch nicht interessiert.

Protest von Fluglärmgegnern

Ziemlich luxuriös: Für zwei der acht Sätze, die im zweiten Programmteil aus Mendelssohns Schauspielmusik zu „Ein Sommernachtstraum“ op. 61 erklangen, waren die Damen des Estnischen Philharmonischen Kammerchors aus dem fernen Tallinn angereist. Was dazu wohl die 100 Flughafen-Ausbaugegner gesagt hätten, die vor der Klosterzufahrt die anreisenden Besucher mit einem stummen Spalier am Straßenrand empfingen? Nicht gegen das Festival, nicht gegen die Künstler wollten sie demonstrieren, sondern, zum Beispiel, gegen den (abwesenden) Festival-Schirmherrn und hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier oder gegen den Kuratoriums-Vorsitzenden Roland Koch, der das Festival ungestört eröffnen konnte.

Künstlerisch machten die kurzen Elfengesänge freilich Lust darauf, mehr von den estnischen Kammerchor-Sängerinnen zu hören. Rein, klar, luftig und beweglich gestalteten sie ihr kurzes Chorlied, ihr schwereloses knappes Finale, ergänzt von den beiden Sopranistinnen Miah Persson und Golda Schultz. Hier, in der erfrischend farbigen, gerade von den Holzbläsern grandios ausgesponnenen urromantischen Musik Mendelssohns, vermittelten sich am deutlichsten auch die Besserungen der Basilika-Akustik – und zwar bereits in den Eröffnungsakkorden der populären „Sommernachtstraum“-Ouvertüre. Den „Hochzeitsmarsch“ ließ Järvi wunderbar doppelbödig und druckvoll aufjubeln, immer plastisch vermittelte er das bildhafte Kaleidoskop bis hin zu den musikalischen Eselsrufen: Großen, langen Applaus gab es dafür in der ausverkauften Basilika.

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